Ich schaute in eine Reihe sehr erschöpfter Gesichter. Die Teilnehmenden hatten sich mutig und tapfer durch den Workshop und durch ihre eigenen Emotionen gekämpft. Sie waren total zufrieden und sehr überrascht, denn sie hatten nicht damit gerechnet, was alles dahinter steckt, wenn man sich seinen eigenen Emotionen stellt.
Ein Teilnehmer sagte mit Recht: “Ich bin das einfach nicht gewöhnt; ich denke den ganzen Tag. Und etwas zu machen, was mit Denken nichts zu tun hat, sondern einfach mal zu fühlen – das kenne ich eigentlich gar nicht.“
Denn so einfach ist es tatsächlich nicht, sich zu fühlen. Viele trainieren sich das sogar ab, gerade in der Arbeitswelt. “Ich kann ja nicht jedes Schicksal an mich ranlassen”, sagen gerade Menschen, die viel mit Menschen arbeiten. Richtig ist, dass wir nicht mit jedem leiden können, das hilft auch wenig. Aber mitfühlen, das ist sehr wichtig, gerade auch für Menschen in Krisen, die z.B. gerade krank sind oder Schweres erlebt haben. Denen hilft Mitgefühl, um wieder in die eigene Kraft zu kommen. Aber um gut mitfühlen zu können, müssen wir unsere Gefühle selbst wahrnehmen, können sie nicht einfach abschalten. Genau das ist aber die eingeübte Strategie, Augen zu und durch. Viele merken dadurch viel zu spät, wenn sie überlastet sind, sich Frustration aufbaut, Ärger entsteht. Da werden die Gefühle, die ein nerviger Kollege auslöst, ein halbes Jahr lang ignoriert, und plötzlich platzt eine Bombe, nichts geht mehr. Das Problem ist nämlich, dass Emotionen, die nicht wahrgenommen werden, die Tendenz haben größer zu werden, lauter zu werden. Sie verschwinden nicht einfach, wie wir vielleicht hoffen. Je früher wir die Emotionen wahrnehmen lernen, je besser wir uns selbst beobachten können, desto einfacher ist es, mit unseren Gefühlen umzugehen.
“Oh je”, sagte dann eine Teilnehmerin, “jetzt muss ich erstmal 50 Jahre nachfühlen. Da habe ich ja eine Menge zu tun.” Ja, bei manchen Menschen ist es so, dass sie sich in ihrem Leben sehr wenig ihren Emotionen gestellt haben, da gibt es schon etwas nachzuholen. Die gute Nachricht ist: Man wird immer besser darin. Am Anfang ist es mühsam, aber mit der Zeit wird man immer besser darin. Der Berg ist kleiner, als er wirkt. Und immerhin: Man kann es nachholen. Es ist nie zu spät, um den eigenen Gefühlen Raum zu geben, in sich aufzuräumen. Die schlechte Nachricht ist: Wenn wir das nicht tun,können wir damit unserer Gesundheit sehr schaden. Denn verdrängte Emotionen können sehr belastend sein für die Psyche, manchmal sogar für den Körper.
Wie fühlst du dich gerade?