Wenn wir das Wort Egoismus hören, denken die meisten sofort an etwas Negatives: Rücksichtslosigkeit, fehlende Empathie, „nur an sich denken“. Doch ganz so einfach ist es nicht. Gerade in Zeiten hoher Arbeitsbelastung kann eine gesunde Portion Egoismus sogar notwendig sein, um langfristig leistungsfähig und resilient zu bleiben.
Die zentrale Frage lautet also: Wo endet gesunde Selbstfürsorge – und wo beginnt ungesunder Egoismus?
Wissenschaftliche Perspektive: Selbstfürsorge statt Selbstaufopferung
Die Psychologie macht deutlich: Wer seine eigenen Bedürfnisse chronisch ignoriert, riskiert Erschöpfung und Burnout. Studien zur Stressbewältigung zeigen, dass Menschen, die Grenzen setzen und Pausen ernst nehmen, langfristig gesünder und leistungsfähiger sind (z. B. Maslach, 2016, Burnout Research).
Gleichzeitig ist klar: Übersteigerter Egoismus schwächt Vertrauen, Zusammenarbeit und soziale Verbundenheit – alles Faktoren, die wiederum Resilienz fördern.
Es geht also nicht darum, „egoistisch oder nicht“ zu sein, sondern darum, eine Balance zwischen Selbstfürsorge und Rücksichtnahme zu finden.
Egoismus individuell – gesunde Grenzen setzen
- Ungesund: Nur die eigenen Interessen verfolgen, ohne Empathie für andere.
- Gesund: Pausen nehmen, Nein sagen, die eigenen Werte ernst nehmen. Wer sich selbst schützt, kann langfristig auch mehr Kraft für andere haben.
Egoismus im sozialen Miteinander
- Ungesund: In Teams ständig die eigenen Bedürfnisse über die aller anderen stellen.
- Gesund: Klar kommunizieren, was man braucht, damit Zusammenarbeit gelingt. Offene Gespräche über Kapazitäten oder Grenzen schaffen oft mehr Vertrauen als stillschweigende Überlastung.
Egoismus im Arbeitskontext
- Ungesund: „Ellbogenkultur“ – Konkurrenzdenken, dass Zusammenarbeit und Innovation zerstört.
- Gesund: Selbstschutz-Egoismus – Ressourcen schützen, Pausen nutzen, Prioritäten setzen. Studien zeigen: Teams, in denen Selbstfürsorge akzeptiert ist, sind produktiver und resilienter als solche, in denen ständige Überlastung als „Normalzustand“ gilt.
Egoismus ist per se nicht gut oder schlecht – die Dosis macht das Gift. Resilienz entsteht dort, wo wir Selbstfürsorge leben, ohne soziale Verbundenheit zu verlieren. Gesunder Egoismus bedeutet nicht, „nur an sich“ zu denken – sondern zu wissen, wann es wichtig ist, die eigenen Grenzen zu achten, um danach wieder kraftvoll und empathisch im Miteinander zu sein.
Wie siehst du das? Brauchen wir in unserer Arbeitswelt vielleicht sogar mehr gesunden Egoismus – und weniger Selbstaufopferung?
Maslach, C., & Leiter, M. P. (2016). Burnout. In G. Fink (Ed.), Stress: Concepts, cognition, emotion, and behavior (pp. 351–357). Academic Press. https://doi.org/10.1016/B978-0-12-800951-2.00044-3