Weihnachten – Gott wird Mensch.
Warum eigentlich? Reicht es nicht, Gott zu bleiben, transzendent?
Den Menschen reicht es nicht – Menschen brauchen sinnliches Miteinander. Die Neurobiologie erklärt das so: Bei Stressaktivierung in unserem Nervensystem wird gleichzeitig auch der Bereich für Bindungssuche aktiviert. Wir suchen einen anderen Menschen, um Koregulation zu erfahren, also beruhigt zu werden; gemeinsam sind wir stärker. Diese Bindungssuche geht über Blickkontakt, das Lesen von Mimik und Gestik und durch Zuwendung – mehr braucht es gar nicht. Und genau das funktioniert digital nicht besonders gut, unter anderem wegen der leichten Verzögerungen in der Übertragung. Das Erkannt-Sein, das Ausgeglichen-Werden, das bleibt leider oft aus. Im direkten Miteinander dagegen passiert Koregulation meist von allein; ohne unser bewusstes Zutun unterstützen sich dann die Nervensysteme in der Regulierung.
Deswegen bin ich überzeugt: Digitale Arbeit ist eine Hilfe, aber nie ein vollwertiger Ersatz. Es war großartig, wie vieles dieses Jahr digital funktioniert hat. Auch ich hatte eine Reichweite wie nie zuvor. Dennoch: Menschen brauchen Menschen. Ich weiß: Einige hoffen jetzt, dass sie immer im Homeoffice arbeiten können. Selten waren sie so wenig abgelenkt; außerdem nerven manche Kollegen auch ganz schön – ja, Miteinander kostet auch Kraft, es gehört dazu, dass man sich reibt, dass man die Unterschiedlichkeit aushält, idealerweise sogar nutzt. Das ist mühsamer, als allein vor sich hinzuwurschteln, aber nur so gelingt es, dass wir das Ideale entwickeln, wir alle Perspektiven integrieren. Mitten im Ringen gelingt sie plötzlich, manchmal auch unerwartet – die menschliche Begegnung. Dann finden wir darin Frieden, Glück, Erfüllung, vielleicht sogar Gott. Mögen wir alle das auch in diesen beschränkten Zeiten erleben.
Ich wünsche gesegnete Feiertage. Danke für das Vertrauen – ich freue mich auf ein Wiedersehen live in 2021.