Ich bin in West-Berlin aufgewachsen, meine Schule lag ganz in der Nähe der Mauer. War ich da oft? Nein. Habe ich darunter gelitten? In keinster Weise. Wenn die „Wessis“ sagten, sie könnten nicht leben mit so einer Mauer, dann war ich verständnislos. Eine Einengung habe ich gar nicht wahrgenommen. Klar wusste ich um die Gefahr der Grenze, manchmal standen wir Kinder gemeinsam auf einem der Aussichtspunkte und schauten in den Osten, gruselten uns wegen des Todesstreifens, den streng schauenden Soldaten, dachten an die Menschen dort. Natürlich fanden wir die Grenze nicht toll, wir hätten uns ihr auch nicht weiter genähert; wir wussten, das wäre gefährlich. Aber was soll’s – es gab ja genug sonst zu entdecken. Die Stadt hatte endlose Möglichkeiten an Wald und Theater, an Seen und Menschen.

Die Grenze nicht übersehen, aber dennoch besonders auf das Freie achten. So haben wir es ganz natürlich gelebt. Das ist die gesunde resiliente Haltung, die Menschen auf Dauer eine stabile Psyche verleiht. Immer wieder treffe ich auf Menschen, die sich mit dem Anerkennen der Grenzen, besonders der eigenen, schwer tun. Sie sind in der Illusion gefangen, dass alles möglich ist. Wenn sie etwas nicht schaffen, liegt es nur an ihnen. Wirklich – der Mensch als Gott? Zu wissen, meine Sprachbegabung ist mäßig, deswegen ist das nicht der Bereich, in dem ich überdurchschnittliche Erfolge erzielen kann, ist das Anerkennen einer Grenze – und die Voraussetzung dafür, um zu erkennen, wo ich dann wirklich erfolgreich werden kann. Dann nutze ich eben die Begabung zur Mathematik, zum Musizieren oder Basteln. Das schenkt innere Stabilität. Sich nicht an der Begrenzung festzubeißen, sie zu verleugnen, persönlich zu nehmen, sondern eben immer wieder die Möglichkeiten im Blick zu haben; das ist die gesunde resiliente Haltung. Und wer weiß, vielleicht kommt ja dann auch für die eigenen Begrenzungen irgendwann der Zeitpunkt, sie zu überwinden. Aber auch dieser Zeitpunkt liegt nicht nur in unserer Hand…

Mit welcher Grenze kannst du in Frieden leben?